Datum: 13.07.2018
Lokale Zeit: 14.00
GMT: 12.00
Unsere Position:
53º 30' 33.6312'' N (53.509342)
9º 56' 13.9812'' E (9.937217)

Zwei Wochen auf dem Containerschiff MS Viona

Ein besonderes Ereignis steht an. Die Fahrt auf einem Containerschiff auf der Nord-und Ostsee.  Wie wird die Umstellung vom Segelschiff auf die Grossschifffahrt gelingen? Kann das Spass machen oder werden wir uns nach zwei Wochen nach einem Kreuzfahrtsdampfer sehnen?

Die Antwort sei schon mal vorweggenommen. Wir haben zahlreiche Kreuzfahrtschiffe getroffen. Aber wir hätten nie tauschen mögen. Viel Spass beim Bericht aus weiblicher Optik.

Text & Idee: Maja Urben
Fotos & Web: Heinz Urben

(Alle Bilder können mit einem Klick vergrössert werden)

Die MS Viona bei der Einfahrt in den Hafen Hamburg

Die Eckdaten der MS Viona

  • Besatzung 19
  • Länge    178,57 m
  • Breite    27,7 m
  • Tiefgang (aktuell)    9,3 m
  • Baujahr    2006
  • Flagge    Portugal
  • Ladung max.    1952 Container

Freitag, der 13te
06:00 MS Viona kreuzt unser Hotel.
Startbereit, aber noch im Hotelzimmer freuen wir uns über den Anblick «unseres Schiffes». Winken bringt nichts, denn niemand würde es bemerken und wenn, würde niemand wissen, wer wir sind.  Als Privatpassagiere (*TC = «Talking Cargo») fahren wir die nächsten 14 Tag auf der MS Viona mit.  

TC ist keine offizielle Bezeichnung für Mitreisende! Entwickelt hat dieses gut anwendbare, durchschlagende Kürzel mein Göttergatte. Der Entwicklung liegen natürlich tiefgründige Überlegungen zu Verhalten und Status von mitreisenden Passagieren zugrunde!
 

 

Leuchtende Passagiere kommen an Bord

Noch etwas Geduld
Um 13.45 stehen wir vor den Hafentoren bereit. Ausgestattet mit dem verlangten Tenue (Figur umschmeichelnd, gut sichtbar und nach Vorschrift) warten wir auf den Shuttle, der uns zu Viona bringt.
Leichte Anspannung im Gepäck, melden wir uns etwas vor der Zeit im Office. Vom Chief Officer freundlich begrüsst, werden wir als Erstes von unseren Pässen befreit. Diese wandern in einen Schrank mit Vorhängeschloss. Es gilt ernst: Abhauen ist ab sofort mit Aufwand verbunden.

 

Treppe
65 steile Tritte bis in unsere Kammer

Deck E
Schweres Gepäck (ausgenommen der leichten Anspannung) wird uns sofort abgenommen und auf Deck E in unsere Kammer gebracht. Frau bedauert die Träger und schämt sich über all das Mitgebrachte. High Heels oder das kleine Schwarze sind allerdings nicht dabei. Der Chief Officer ist beeindruckt – nicht von uns - sondern vom Gewicht unserer Mitbringsel: «Mein Gepäck für 3 Monate Seereise ist weniger schwer», ist sein Kommentar.
«Nie mehr wird so viel eingepackt, das nächste Mal kommt nur das Nötigste mit!!!» denkt sie. (Wann war das, als ich das schon einmal beschlossen hatte?)

 

 

Unsere Kammer
Da lässt es sich gut leben. So grosszügig haben wir das nicht erwartet. Diese Räume werden zum Ankerpunkt unserer Reise. Hier ziehen wir uns zurück, wenn wir verarbeiten, genug gesehen und Lust auf Klatsch haben. Hier gehen wir unseren Hobbies nach und geniessen es einfach Zeit zu haben, ohne irgendetwas zu müssen.

 

Die Aussicht nach Achtern
Die Eignerkammer - 2 Zimmer, inklusive Kühlschrank

Die KojeSchlafkammer...

Das Bad der Viona...und das Bad

 

 

 

Bedenken, Überlegungen und Fingerspitzengefühl
Möchten wir, dass uns - über Tage - jemand bei der Arbeit die ganze Zeit über die Schulter schaut? Eine Frage, die uns wiederholt umtreibt, wenn wir auf der Brücke die Arbeitsprozesse eines Anlege- oder Ablegemanövers verfolgen. Für uns ist das total spannend und immer irgendwie nicht ganz fassbar, dass wir einfach dabei sein dürfen.

 

Der Blick von der Brücke der MS Viona
Brücke (40 Meter über der Wasserlinie)

Hier sind wir mitten drin, hören und sehen, was abläuft, wenn die alltäglichen Herausforderungen auf dem Meer, im Hafen oder auf Reede gemeistert werden.

 

Der Kapitän klärt uns auf und gibt uns die «Spielregeln» bekannt. Damit wird für uns Klarheit geschaffen. Wir dürfen fragen, beobachten, zuschauen und mithören. Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl stellen wir die Fragen, wenn auch Zeit ist, diese zu beantworten. Unsere Plätze auf der Brücke sind klar definiert. Wir fühlen uns wohl, wir müssen uns nicht überlegen, ob wir irgendwem die Sicht verstellen. Im Weg herumstehen ist nicht drin. Unsere Anwesenheit auf der Brücke, ist für nichts gut, was wichtig ist. An- und Ablegen geht eindeutig besser ohne unser Mittun. Es fällt uns nicht schwer, das zu akzeptieren. Wir freuen uns über die Möglichkeit, dabei zu sein. 

 

Seekarte

Seekarte Detail

Auf dem richtigen Weg
Auf unserer mitgebrachten Seekarte (auf dem Handy) verfolgen wir die Reise mit. Beim Ablegen oder Durchqueren eines anspruchsvollen Gebietes, denken wir mit und versuchen unseren Weg durch die Gewässer zu finden. Unsere nautischen Kenntnisse vom Hochseesegeln sind hilfreich und machen den «Törn» für uns noch etwas spannender.

 

 

Der Schlepper bugsiert die Viona an den Liegeplatz
Der Schlepper drückt die Viona an den Anlegeplatz

Mitten drin dabei sein
Auf der Brücke sind wir dann, wenn unten etwas von Bedeutung geschieht: Hafenmanöver, Durchfahrten durch Engpässe, Querung von Brücken (Hamburg und Dänemark), Zu- oder Aussteigen von Lotsen.
Das Bunkern von Treibstoff, Sonnenuntergänge, Fahren bei Nacht.

 

 

Die Brücke über den Hafen
Köhlbrandbrücke, die vom Elbtunnel über den Hafen führt.

 

 

Der Lotse kommt an Bord
Ein Lotse wird vom Lotsenkatamaran an Bord "geliefert".

Der Lotse geht von Bord
Die Lotsen gehen während der Fahrt ganz unterschiedlich von Bord. Das geschieht auch bei hohem Seegang (bis 6 Meter Wellen), Wind und Wetter.
Kein Job für Leute mit Höhenangst.

 

 

Die schwimmende Tankstelle
 

Treibstofftanken auf Reede (vor Anker).
Das dauert dann mal ein paar Stunden bis die ca. 220 000 Liter Treibstoff das Schiff gewechselt haben.

 

Weitsicht

Der Blick achterlich (nach hinten) von der Brückennock
Manchmal, da suchen wir auf der Brücke einfach den Blick in die Ferne.

 

Sonnenuntergang
Einer schöner als der Andere
Mit eindrücklichen Sonnenunter- und Aufgängen könnten wir ein ganzes Fotoalbum füllen.

Sonnenuntergang
Bei jeden denkt man den noch schöneren und noch spezielleren zu sehen und fotografiert wieder. Dies, obwohl man weiss, einer würde reichen. Die Stimmung lässt sich auf den Bildern dann eben doch nicht ganz einfangen.

 

 


Im Essraum stand immer alles bereit.

Das Essen!
Unserer Meinung nach, nimmt dieser Teil in den meisten Reiseberichten zu viel Raum ein. Darum «in der Kürze liegt die Würze»: Wir haben sehr gut gegessen!!! Es gab in 14 Tagen kein Menü zweimal. Wir wurden ausgewogen und glutenfrei ernährt.

Offiziersmesse
Auch zwischen den Mahlzeiten konnte man sich bedienen.

Wir konnten immer Fleisch und Fisch essen, wenn wir wollten. Salat, Gemüse und Früchte wurden ausgiebig angeboten!! Es gab mehr als genug von allem.
Den beiden Küchen- «Chefs» (Koch und Messman) ein ganz besonderes Dankeschön. Ihr habt uns täglich verwöhnt: mit Feinem und mit Fröhlichkeit!

 

Sicherheit an Bord
Die Sicherheit wird grossgeschrieben. Der Ernstfall wird geübt. Alle Crewmitglieder wissen ganz genau, was sie im Ernstfall zu tun haben. Verschiedene Verhaltensregeln, sind auch in den Kammern und Gängen aufgehängt. So z.B. was zu tun ist, wenn Piraten an Bord kommen, wie man sich verhalten soll, wenn Feuer ausbricht usw.

 

Rettungsübung
Alle strömen zum Sammelpunkt

Rettungsboot
Das Rettungsboot wird bestiegen

 

Selbst organisierte Abwechslung
Wir haben gut geplant. In unserem Gepäck ist für die Abwechslung gesorgt, die es braucht, wenn an Bord gerade «nichts» (für uns Sichtbares) läuft.
Fast Alles, wofür wir sonst glauben, keine Zeit zu haben, können wir hier nach Lust und Laune umsetzen.

 

Es wird fotografiert, Fotos bearbeitet, geschrieben, gezeichnet, studiert, Kreuzworträtsel gelöst und Krimis gelesen. Lebenswichtige Fragen beschäftigen unsere langsam träger werdenden Gedanken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, Überlegungen, was man mit dem Leben noch alles so anstellen könnte, beflügeln die Fantasie. Vieles davon findet Niederschlag in irgendwelchen Texten, mit denen dann der Freundeskreis erfreut, gelangweilt oder gar geärgert wurde.

 

Büro auf dem Schiff
Unsere Pausenfüllgeräte

 

Hafen mit selbstfahrenden Transportfahrzeugen

 

Selbstfahrende- und steuernde Transporter
Das Containermanagement in den Häfen finden wir interessant. Durchschaubar ist es allerdings nicht. Für uns Laien gibt es aber allerhand Ungewohntes zu bestaunen: ferngesteuerte oder selbstfahrende Anhänger (in der Grösse von Lastwagen), die ihren Weg zum richtigen Container finden, sich passend hinstellen, damit aufgeladen werden kann.

 

Hafenkran

Eindrücke aus dem Hafen im Hamburg
Anschliessend finden diese den Weg zum entsprechenden Kran (wir gehen davon aus, dass auch dieser jeweils der richtige ist).
Es geht zu wie auf einem Ameisenhaufen. Es wird geholt, gebracht, ab- und aufgeladen und an anderen vorbeimanövriert. Im Hafen läuft es Tag und Nacht.

 

 

Sonnendeck, ganz privat
Im Bug, da lassen wir die Seele baumeln! (Genaugenommen tun wir das ja schon die ganze Zeit überall auf dem Schiff). So ganz alleine da vorne in der Sonne sitzen, den Wind im Gesicht geniessen. Da bricht er ein – in die Gedankenwelt – ganz unterwartet: Der Freddy mit seinen sehnsuchtsvollen Melodien über die Einsamkeit eines Seemannes, die Sehnsucht nach dem einen Mädchen an Land und die Wehmut von Mutti, die ihren Seemannssohn vermisst. Wir lassen es bei den stillen Tönen und singen uns die guten Gefühle nicht von der Seele. Denn wir sind tatsächlich nicht ganz alleine, es gibt da noch Leute, die müssen arbeiten. Ein bisschen Rücksicht ihnen gegenüber gehört zum Anstand.

 

Sonnendeck

Sonnendeck

 

 

Grosse Grössen
Da vorne, wo die wichtigen «Geräte» wie Anker, Winschen und Trossen sichtbar sind, wird die Bedeutung von XXL deutlich. Da wird schon das Heben eines Schäkels zur Kraftprobe.
Gewohnt in kleineren Dimensionen über das Wasser zu gleiten (Segelbooten), sind wir beeindruckt. So einfach von Hand ist da nichts zu bedienen und trotzdem geht ohne die Hände und Muskeln der Matrosen nichts.

 

Ankerwinsch

Festmachertrossen

 

 

Containerwand

Die Containerwand über uns hat schon auch etwas Einschüchterndes.

 

DANKE
An dieser Stelle sagen wir DANKE für diese Grosszügigkeit und Toleranz uns Laien (TC’s) gegenüber, die detailverliebt, den Blick für alles Mögliche hatten aber oft nicht den für das Wesentliche.
Wir gehen von Bord mit einem einmaligen für uns grossartigen Erlebnis im Gepäck (jetzt ist dieses noch schwerer ☹). Containerschiffe haben für uns eine neue Bedeutung und Dimension bekommen.
Wir haben viele sympathische, humorvolle Menschen aus ganz verschiedenen Nationen angetroffen und kennen gelernt. Diese Begegnungen machen uns das von Bord gehen schwer! Sie haben dieser Reise die persönliche Note gegeben. Es gibt Kontakte, die werden wir weiter pflegen.

Es ist uns nicht entgangen, was es heisst, auf einem solchen Schiff zu arbeiten. Wochenweise in diesem abgeschlossenen Universum seiner Arbeit nachzugehen. Keine Möglichkeit auf Zerstreuung, fern vom Arbeitsplatz mit Freunden zu haben. Kein Freigang von Bord. Die einen mit der täglichen Arbeit in Unterdecks, im Lärm und künstlichen Licht der Maschinenräume.
Seefahrerromantik bringt man nicht damit in Verbindung, eher Broterwerb unter besonderen Bedingungen. An Bord arbeiten heisst auch immer in Abhängigkeit von Hafenorganisation zu sein, nie ganz genau zu wissen, wann man wo wirklich anlegen, laden und wieder ablegen kann. Dann heisst es wieder auf Reede warten bis es weitergehen kann und sofort bereit sein, für die arbeitsintensive Zeit im Hafen – auch wenn der Schlaf zu kurz kommt. Je nachdem muss es dann auch schnell wieder weiter gehen, weil der Termin im nächsten Hafen bereits steht. Flexibilität wird hier an Bord gelebt. Diskussionen funktionieren eigentlich nur in der Freizeit. Die Arbeit an Bord verlangt Disziplin und die Kraft jedes Einzelnen. Die Fehlertoleranz ist 0. Es geht dann schnell auch einmal auch ums Überleben.

 

Schatten Viona

Und schon gehört die «Viona» für uns der Vergangenheit an.

 

Marienkäfer

Und manchmal gibt es Besuch von Extern
Im Abendrot, ganz unerwartet, auf 40 Meter über der Wasserlinie ist er da, der Marienkäfer. Er soll Glück bringen. Uns hat er es gebracht, wir hatten wunderschöne Ferien, mit tollen Leuten.


Dieses Glück wünschen wir der ganzen Crew.